Pen & Paper & Tarot

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Francisco De Goya: El Aquelarre

Das spanische Fest

Madrid im März 1815. Bei einem Maskenball, der nach Außen den spanischen König, tatsächlich aber die Rückkehr Napoleons aus dem Exil feiert, verwandeln sich plötzlich alle Gäste in wilde Tiere und fliehen. Nur die ebenfalls anwesenden Spielercharaktere bleiben wie durch ein Wunder verschont. Sie spüren zwar bereits das Erwachen einer Bestie in ihrem Innern, noch scheint die Verwandlung aber nicht abgeschlossen – und noch aufzuhalten zu sein. Francisco de Goya, der große alte Hofmaler, der an verbotenen Bildern arbeiten soll, schickt die Spielercharaktere in das Verlies der spanischen Inquisition.

»Das spanische Fest« ist ein Maleficium-Abenteuer für einen Spielleiter und bis zu vier Spieler und zwei Spielabende. Das Szenario bietet einen Dungeon mit detaillierten, kreativen Schauplätzen und Figuren. Der Fluch äußert sich in wilden, tierischen Impulsen und kleinen, animalischen, körperlichen Veränderungen. Und damit wir das gleich zu Anfang aus dem Weg haben: Ja, niemand erwartet die spanische Inquisition.

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Der Fluch
    1. Der Maler
    2. Der Plan
  3. Wege ins Verlies der Inquisition
    1. Die Festung der Spanischen Inquisition
    2. Das Königliche Kloster der Inkarnation
    3. Das Hospital General und der Passion
  4. Im Verlies der Inquisition
    1. Das Fegefoyer
    2. Die Grauerei
    3. Die Schreckensweide
    4. Der Nichthof
    5. Der Totengerber und der Leichenlederer
    6. Der Schwärzeschmied
  5. Strategien gegen den Prinzen
    1. Aufrüsten
    2. Fluch, Gift und Heilung
    3. Die Kompanie
    4. Ergänzende Möglichkeiten
  6. Im Palast des Fliegenprinzen
    1. Der Fliegenprinz
  7. Anhang
    1. Flucheffekte
    2. Gegner
    3. Ausrüstung

Einleitung

Madrid im März 1815. Es ist der Abend bevor das große, einwöchige Fest zu Ehren König Fernandos VII beginnt, der vor genau einem Jahr aus der Verbannung zurückgekehrt ist und von den Landsleuten der Spielercharaktere herzlich willkommen geheißen worden war. Fernando hat seitdem die liberale Verfassung von 1812 für nichtig erklärt und mit Folter, Militär, Polizei und der wiedereingesetzten spanischen Inquisition sich eine rigide, repressive Alleinherrschaft eingerichtet. Aus Frankreich stammt dafür der Begriff „weißer Terror“ in Anlehnung an die weiße Lilie der französischen Royalisten.

Inzwischen sind viele Spanier:innen gar nicht mehr so begeistert. Die französische Besetzung durch Napoleon war vielleicht doch nicht so schlecht, aber das öffentlich zu äußern, traut sich natürlich niemand. Alle haben Angst vor den Geheimpolizisten der Inquisition. Das diesjährige große Fest aber ist von einer Hiobsbotschaft für Fernando bedroht: Napoleon ist aus dem Exil in Elba nach Paris zurückgekehrt, hat den französischen König vertrieben und will sein altes Reich zurück.

Für den heutigen Abend haben die Spielercharaktere Einladungen erhalten zu einem Maskenball zu Ehren König Fernandos. Angesichts der aktuellen politischen Lage könnte es sich dabei aber genauso gut um eine Veranstaltung handeln, bei der sich Unterstützer Napoleons organisieren wollen. Das Thema des Balls: die Welt der Tiere.

Die Spielercharaktere können ein Tier und eine Maske wählen, allerdings sollte die Bedeutung des gewählten Tieres die eigene reale Bedeutung im gesellschaftlichen Leben der Stadt nicht übertreffen. Die paranoide spanische Gesellschaft findet Ehrgeiz und Anmaßung nämlich sehr verdächtig. Die Spielercharaktere möchten nicht als Hirsch zufällig einem Vorgesetzten begegnen, der sich mit einem Dachs begnügt hat. Der Löwe ist Mitgliedern der Königsfamilie vorbehalten.

Die Spieler sollten außerdem entscheiden, ob ihre Charaktere sich bereits vor dem Ball kannten, vielleicht gemeinsam gekommen sind, oder ob sie sich erst im Lauf des Abenteuers kennenlernen. Sie können bei Bedarf außerdem über die jeweilige Loyalität zum König oder zu Napoleon entscheiden – also unter welchen Voraussetzungen die Spielercharaktere zum Ball gekommen sind, denn gekommen sind sie ja.

Der Fluch

Die bunt kostümierten Gäste des Balls, darunter die Spielercharaktere, treffen nach und nach ein und werden von den Bediensteten in den reich geschmückten Ballsaal geführt. Ein Musiker spielt auf einer Harfe, es gibt Wein und Likör, während die Gäste auf die Eröffnung des Balls warten.

Dann kommt Bewegung in die Gäste. Bedienstete rollen ein verziertes, güldenes Gestell in die Mitte des Raumes, an dem in seltsamen Kontrast eine große, schmucklose, stumpfgraue Glocke hängt. Auf einem goldenen Teller darunter liegt ein Schlägel. Die Bediensteten entfernen sich wieder und auch der Harfenist hat den Raum verlassen. Bis auf die erregten und etwas nervösen Gespräche der Gäste ist es still – und bleibt es still. Bis sich schließlich einer der Gäste entschließt – ist es einer der Spielercharaktere? –, es zu probieren, den Schlegel hebt und ihn gegen die Glocke schlägt.

Es ertönt ein dumpfer, breiiger Ton, der den Spielercharakteren durch Mark und Bein geht. Der ganze Saal scheint kurz zu vibrieren. Die Goldschicht der Dekorationen des Gestells brechen auf, und schließlich springt auch die Glocke selbst: Ein breiter Riss öffnet sich, vergrößert sich, teilt die Glocke in zwei Hälften, bis die schließlich zu Boden fallen.

Um die Spielercharaktere herum brechen die Menschen zusammen, gehen in die Knie und scheinen sich zu verändern. Ihre Gliedmaßen zucken und verwandeln sich: in die von Tieren! Nicht in die der Tiere, als die sie gekommen sind, tatsächlich scheint es fast eine Art umgekehrte Logik zu geben: Diejenigen, die in der Verkleidung angesehener Tiere kamen, was auf die meisten zutrifft, scheinen sich jetzt in besonders niedere zu verwandeln. Wo die Spielercharaktere zuvor Hirsche, Panther, Wölfe, Adler, und Hengste sahen, sehen sie jetzt Ziegen, Esel, Schweine, Krähen und Ratten.

Nur bis zu vier Personen krümmen sich nicht unter Schmerzen am Boden: die Spielercharaktere. Allerdings haben auch sie im Moment des Glockenschlages eine Veränderung, ja eine Art Verwilderung ihres eigenen Wesens gespürt. Und sie spüren sie noch. Etwas urtümliches, animalisches, bestialisches ist tief in ihnen erwacht.

Der Maler

Die Türen zum Saal sind wieder offen, von dem Musiker oder den Bedienungen ist weit und breit keine Spur. Einige der Verwandlungen sind schon abgeschlossen, aus dem Saal quellen die entstellten Tierleiber, die von dort auf die Straße fliehen.

Wenn die Spielercharaktere zurück vor die Türen der Stadtvilla treten, steht dort wie angewurzelt, mit großen Augen und offenem Mund, ein kleiner Junge, PABLO (8), in der schäbigen Kleidung eines Bediensteten von niederstem Rang, einen Brief in der Hand. Wenn die Spielercharaktere ihn beruhigen können, händigt er ihnen den Brief freiwillig aus, und berichtet dazu von einem alten Mann, den er gesehen hat, der fluchtartig die Straße Richtung Palast genommen hat. Und er warnt die Spielercharaktere: Einige Stiere für den Kampf beim morgigen Fest sind ausgebrochen und machen die nächtlichen Straßen Madrids unsicher.

Der Brief trägt das Siegel des Königshofes, allerdings kein eigenes Familienwappen, was auf einen hochrangigen Staatsdiener ohne eigene aristokratische Herkunft hinweist. Entscheiden die Spielercharaktere, das Siegel zu brechen, steht dort bloß ein Satz. Eine Unterschrift fehlt. Am unteren Rand allerdings reckt ein skizzierter Hund seinen Kopf ins Bild.

Der Rat eines Freundes: Geht nicht!

unsignierter Brief

Die Spielercharaktere können den geflohenen Mann einholen, oder den Autor des Briefes ausfindig machen. Vielleicht hat einer der Spielercharaktere einen Schwerpunkt in Richtung bildende Kunst, vielleicht können weitere Zeugen helfen: die Häscher der entflohenen Stiere oder Schausteller, die ihre Karnevalswagen, deren gewaltige Strohpuppen am nächsten Tag angezündet werden sollen, für den Festzug auf Position bringen. Es handelt sich beim Geflohenen und beim Briefeschreiber um ein und dieselbe Person: FRANCISCO DE GOYA (68), Maler am spanischen Hof. Die Spielercharaktere finden ihn außerhalb der Palastmauer, an einem kleinen Tor, wo er dicke Stöße in Tuch gewickelter Papiere auf einem Esel zu befestigen sucht.

Francisco de Goya

Francisco de Goya (*1746) war einer der bedeutendsten spanischen Künstler – vielleicht einer der ersten Künstler in unserem heutigen Sinne, der sich nicht als Handwerker verstand, sondern innere Prozesse verarbeitete: Neben religiösen Themen, sein für die Zeit durchaus ungewöhnliches Interesse am „gemeinen“ Volk und am spanischen Brauchtum, später Kritik an Gesellschaft und Politik, und die Verarbeitung der Schrecken der Napoleonkriege und persönlicher Tragödien. Mit 45 Jahren erkrankte Goya schwer und verlor sein Gehör, mit 65 seine Frau.

1819 zog er sich in das „Landhaus des Tauben“ zurück, wo er die Wände mit „schwarzen Bildern“ bemalte: Saturn, der seine Kinder frisst; Brüder, die sich erschlagen; Hexen, die mit Scheren übers Land ziehen (und auch das oben abgebildete Titelbild, der Hexensabbat).

Der Plan

Ein Gespräch ist mühsam, denn Goya ist taub. Doch immerhin hat der Maler genug Papier und Tinte bei sich, um sich zu verständigen. Auf der Rückseite der Radierung eines Gehängten gibt Goya wortkarg Antwort. Er habe Gerüchte gehört und einen Freund schützen wollen – vergeblich. Jetzt will er Madrid verlassen, es wird zu gefährlich. Die spanische Inquisition setzt die schwarze Magie ihrer ketzerischen Gefangenen gegen die Feinde des Königs ein. Dass er selbst dem Fluch nicht zum Opfer gefallen ist, führt er auf sein fehlendes Gehör zurück – oder darauf, dass er längst so sehr Tier und Dämon sei, dass ihm ein solcher Zauber nichts mehr anhaben könne. Dass die Spielercharaktere sich nicht sofort verwandelt haben, versteht er als Ausweis ihres Charakters: offenbar sind sie vom Krieg nicht so verdorben, wie die anderen Gäste. Er ist sich aber sicher, der Fluch werde sie auch noch holen.

Goya glaubt sogar, den Urheber des Fluches zu kennen – der wahrscheinlich sterben muss, wenn die Spielercharaktere den Fluch brechen wollen: Der sogenannte Fliegenprinz, ein berüchtigter Gefangener der Inquisition. Im Untergrund der Stadt gebe es ein riesiges Verlies, in dem die Inquisition ihre Gefangenen der Vergessenheit übergibt und sie sich selbst überlässt. Der Fliegenprinz herrscht über diesen Ort.

Goya vermutet drei mögliche Zugänge in den Kerker. Erstens: Durch die Festung der Inquisition, in die man wohl nur gelangen könne, wenn man sich inhaftieren lässt, den geeigneten Moment zur Flucht findet und das dafür nötige Geschick mitbringt. Zweitens: Unter dem Königlichen Kloster De la Encarnacion, soll es ebenfalls einen Zugang geben, die Spielercharaktere müssten sich dann vermutlich als für das Fest zugereiste Mönche ausgeben. (Für diesen Fall hätte Goya die markanten Kutten und Spitzhauben noch in seinem Atelier: er hat Männer in Verkleidung für sich Modell stehen lassen. Aber vielleicht hat ja einer der Spielercharaktere eigene Verbindungen zur katholischen Kirche.)

Und drittens: Er habe sich schon immer gefragt, sagt Goya, wo eigentlich die vielen Patienten der räumlich doch sehr begrenzten Station für Geisterkrankheiten des Hospital General landen, in das er sich nach dem Tod seiner Frau unvorsichtigerweise fast selbst eingewiesen hätte. Ein dummer Gedanke: Abweichler werden gerne mit Asthma diagnostiziert und dann mit Arsen zu Tode therapiert. Falls es den Spielercharakteren an Geschick und Täuschungsvermögen für die anderen beiden Optionen fehlt, könnten sie gegen die Schwestern des Krankenhauses ja mit Gewalt vorgehen. Die seien das aus den Kriegsjahren ja noch gewohnt. Er spuckt auf den Boden. Er hält wohl nichts von dieser Option.

(Bei den genannten Vorgehensweisen beim jeweiligen Zugang in den Kerker handelt es sich um Empfehlungen. Spieler und Spielleiterin sind herzlich eingeladen zu improvisieren.)

Ein Hinweis: Während auf den Ball etwa gleichviel Frauen wie Männer eingeladen waren (bzw. Personen, die gesellschaftlich entsprechend gelesen werden), müssen in vielen der folgenden Situationen weibliche Spielercharaktere ihr Geschlecht verbergen, um keinen Widerspruch zu provozieren. Frauen würden zum Beispiel nicht ins Kloster gelassen werden, und weibliche Gefangene der Inquisition von den männlichen getrennt. Auch das Verlies ist ein Männergefängnis, die Verliesgesellschaft hat sich entsprechend organisiert.

Wege ins Verlies der Inquisition

Die Festung der spanischen Inquisition

Die Festung der Inquisition ist eine alte Sarazenenburg am Rande der Innenstadt. Die Mauern und kunstvoll vergitterten Fenster schier unüberwindbar, ein Kampf gegen die Inquisitoren und ihre Schlägertrupps aussichtslos. Nur ein Trick kann den Spielercharakteren hier weiterhelfen: sich festnehmen zu lassen. Um den Zugang zum Kerker zu finden, müssen die Spielercharaktere den Stationen der inquisitorischen Folter folgen – und im richtigen Moment aussteigen, sich verstecken und unbemerkt ihr Ziel erreichen. Der richtige Moment: bevor sie gebrochen sind.

Im maurisch-arabischen Badehaus müssen sich die Gefangenen ausziehen und gegenseitig rasieren und schrubben, bis die Haut wund ist. In einer Kirche, einer ehemaligen Moschee, werden die Gefangenen empfangen, zum Beten und dann zur Selbstgeißelung gezwungen. Wer beim Waschen und oder beim Flagellieren zu wenig Enthusiasmus zeigt, wird von den Geheimpolizisten der Inquisition mit Stöcken verprügelt. Dann wird den Gefangenen erlaubt, die Beichtstühle zu nutzen und vor Gott und der Inquisition ihre Sünden zu beichten. Danach berät ein kleines Gericht aus Inquisitoren über das Schicksal der Gefangenen. Manche werden wieder freigelassen, manche werden bis zur öffentlichen Vorführung und Verhandlung ihrer Sünden gegen den König oder Gott verschont, manche verschwinden auf Nimmerwiedersehen in dem berüchtigten Verlies, und andere werden zu den eigentlichen Folterkammern gebracht, wo sie erst kastriert und später vielleicht gehäutet werden – je nachdem, an welchem Punkt sie anfangen zu reden.

Die Spielercharaktere müssen den Misshandlungen widerstehen, ggf. die Schlösser ihrer Ketten öffnen (die Schlösser sind einfach, es eignet sich schon ein Dolch oder eine andere Spitze; vielleicht trägt auch eine der Wachen den Schlüssel gefährlich zugänglich am Gürtel), und sich im richtigen Moment in den Gewölben hinter Säulen und in Erkern verstecken, oder in den Dachstühlen der Wehrgänge. Die Inquisition rechnet nicht mit Widerstand: die meisten Gefangenen haben sich in ihr elendes Schicksal ergeben. Fallen Gefangene doch als widerspenstig auf, werden sie verprügelt. Die Nacht hilft den Spielercharakteren: die eigentümliche Architektur wirft viele Schatten, der Rauch der Fackeln reizt die Augen, und selbst Inquisitoren werden einmal müde.

Der Zugang zum Kerker befindet sich hinter den Schweineställen. Die hat es zu maurischer Zeit sicher noch nicht hier gegeben. die Gefangenen werden von den Wachen der Inquisition durch den Schlamm geführt und dann gemeinsam mit einem Schwein in den Keller unter die Burg. Schließlich öffnet sich ein großer Gewölbekeller, dessen Boden bloß aus Gitterstäben besteht: nein, es ist ein Gewölbekeller, der von Gitterstäben in zwei Stockwerke geteilt wird. Die Wachen öffnen eine Falltür, stoßen erst die Gefangenen hinunter, schütten Schubladen voller Pökelfleisch hinterher und schließlich ein lebendiges Schwein. Gehören die Spielercharaktere zu den Gefangenen oder sind ihnen gefolgt, sind sie jetzt im Kerker der Inquisition, genauer: im Fegefoyer.

Das Königliche Kloster der Inkarnation

Das Kloster hat hohe Mauern: die katholische Kirche ist nicht für ihre Offenheit bekannt. Handelt es sich bei den Spielercharakteren nicht um geübte Einbrecher, bleibt ihnen wohl bloß die Täuschung. Auf ein etwaiges Klopfen öffnet widerwillig ein Mönch, der Nachtwache hält, in der weißen Kutte und Spitzhaube der Büßer, und schaut die Spielercharaktere durch die Schlitze im Stoff mit bösen Augen an und stellt ihnen. Sind die Spielercharaktere als Geistliche erkennbar, fragt er sie auf Latein nach ihrem Begehr. Können sie seine Frage zufriedenstellend beantworten, lässt er sie herein, führt sie durch das Kloster und weist ihnen Zellen zu.

In den Gängen schwelt Weihrauch in silbernen Turibuli, die von der Decke hängen. Neben der Wache am Tor, die die Spielercharaktere begleitet, begegnen sie einer nächtlichen Patrouille aus drei Mönchen: Das Kloster ist alarmiert, Feste wie das morgige bringen allerhand Ketzer in die Stadt. Aus einer Kapelle sind die rhythmischen Schläge eines Flagellanten zu hören, aber kein Schmerzenslaut.

Verlassen die Spielercharaktere ihre Zellen, bemerken sie schnell, dass die Flure des Klosters mit Glöckchenfallen gesichert sind, die läuten, wenn jemand die gespannten Seile berührt. Dann eilt die Nachtwache herbei oder die Patrouille um nach der Ursache der Störung zu sehen. Schöpfen sie Verdacht, werden die Spielercharaktere kurzerhand über Nacht in ihren Zellen eingeschlossen. Gute Ausreden können überzeugen: Vielleicht wollen sich die Spielercharaktere nach ihrer fiktiven Reise nach Madrid erst einmal waschen, vielleicht wollen sie beten, vielleicht suchen sie bloß nach dem Necessarium. Trotzdem stellt sich vermutlich die Frage, warum sie dabei auf eine Laterne verzichten. Besonders aufmerksame Charaktere kommen vielleicht auf die Idee, die Weihrauchgefäße mit Opium zu präparieren, um die Nachtwache einzuschläfern.

Einen Weg unter das Kloster scheint es zunächst nicht zu geben, doch das laute, hohle Klopfen der Schritte der Patrouille auf den gepflasterten Wegen des Friedgartens, sein schon im März verdorrte Gras, und eine Pumpe weisen auf eine Zisterne unterhalb des Innenhofes des Klosters hin. In den Innenhof hinein ragt ein zwölfeckiges, innen mit lauter Haaren verunreinigtes (offenbar haben die Mönche vor dem Fest ihre Tonsur nachrasiert) Brunnenhaus: im Sockel der Brunnenschale finden die Spielercharaktere ein kleines Türchen, durch das sie sich in die Zisterne hinablassen können.

In der Zisterne finden die Spielercharaktere einen eigenen kleinen Brunnen mit hohen Mauern, in dessen Inneren eine alte, aufgerollte Strickleiter hängt. Klettern die Spielercharaktere hinunter müssen sie allerdings feststellen, dass sie darüber zwar eine gewaltige Höhle erreichen, die Strickleiter aber zu kurz ist und sie die letzten drei Meter werden hinabspringen müssen. Sie landen in seltsamem, weichen Moos. Das ist der Kerker der Inquisition, das ist die Schreckensweide.

Das Hospital General und der Passion

Gegenüber des königlichen Gartens und der Ruine des Sommerpalastes liegt das Hospital General y de la Pasión: ein monumentaler Häuserblock, dunkel, still und abweisend – bis auf das Licht einer abgedunkelten Laterne an einer schmalen Treppe und Seitentür in den Keller des Gebäudes. Ein muskelbepackter Pfleger fragt die Spielercharaktere, ob sie bereit sind zu zahlen (Vermögen 2, ab Vermögen 3 können ärmere Spielercharaktere mitgenommen werden), dann lässt er sie herein.

Ein niedriges Vorzimmer mit einem fest montierten, grotesk anmutenden Drehstuhl und eisernen Wannen. Unterdrückter menschlicher, vielleicht auch unmenschlicher Lärm tönt aus verschiedenen Richtungen. Eine Schwester nimmt die Spielercharaktere in Empfang und bietet ihnen Stöcke mit Eisenspitzen an ihrem Ende an, mit dem die Spielercharaktere die Geisteskranken „animieren″ dürfen. Sie weist auf zwei Gänge, die links und rechts vom Vorzimmer abgehen: rechts und links der Gänge die vergitterten Zellen der Patienten. Besondere Attraktion sei aktuell ein gewalttätiger Patient in einer Zwangsjacke, sagt die Schwester, und der dünnste Mensch der Welt, ein Patient, der mit einer Hungerkur „behandelt″ wird. Gegen Aufpreis könne man den Spielercharakteren den Drehstuhl vorführen, der mit Fliehkraft die Geisteskrankheit austreibe, oder Eiswasserbäder, bei denen dem Schock eine heilsame Wirkung zugeschrieben wird.

Die Schwester lässt sich mit Geld, guten Argumenten und/oder Gewalt überzeugen, die Spielercharaktere dorthin zu führen, wo die als „unheilbar″ deklarierten Patienten hingebracht werden: immerdunkle, runde Räume, in die Patienten zur sensorischen Deprivation gebracht werden. In einem von ihnen befindet sich ein dunkles Loch im Boden. Patienten, die man loswerden möchte, werden dort eingesperrt. Nach einigen Stunden, manchmal Tagen, sind sie in der Dunkelheit hinuntergefallen oder freiwillig hineingesprungen. Wenn die Spielercharaktere hinunter möchten vervielfältigt sich aber der Preis oder die Gegenwehr der Schwester.

Je nach Verhalten der Spielercharaktere müssen sie sich mit dem Sicherheitspersonal, das mit den Stöcken mit der eisernen Spitze, mit Ruten oder mit kurzen Peitschen bewaffnet ist, auseinandersetzen – oder mit den psychisch Kranken selbst, die sich vehement gegen die Gewalt wehren, die sie hier erleben, und dabei wenig Unterschiede machen.

In dem Loch können die Spielercharaktere vorsichtig von Felsvorsprung zu Felsvorsprung springen um hinab zu kommen: nur zurück nach oben kommen sie so nicht. Am Grund des Lochs: ein System aus kleinen Höhlen mit einer scharfkantigen, fast gläsernen Oberfläche rund um den Nichthof im Kerker der Inquisition.

Im Verlies der Inquisition

Der Kerker der Inquisition setzt sich grob aus acht Orten zusammen. An das Fegefoyer schließen sich Grauerei, Nichthof und Schreckensweide an. An den Nichthof die Schwärzeschmiede, die Werkstatt von Totengerber und Leichenlederer, sowie das Tor zum Palast des Fliegenprinzen. Die Festung der Inquisition hat die Spielercharaktere in das Fegefoyer geführt, das Kloster der Inkarnation auf die Schreckensweide, und das Hospital General in das Höhlensystem um den Nichthof.

Das Fegefoyer

Ein großes Gewölbe, das auf halber Höhe von Gitterstäben in zwei Etagen geteilt wird. Schwaches, flackerndes Licht scheint von oben herab, spiegelt sich in den Stäben, wo sie noch nicht von Rost zersetzt sind. Auf dem Boden und in den Nischen der Säulen ringsum, die das Gewölbe bilden, liegen verstreut über einhundert ausgemergelte Gefangene. Die Spielercharaktere müssen über sie hinwegsteigen, wenn sie sich hier bewegen wollen. Die Gefangenen zeigen dabei keine Regung. Auch auf Ansprache reagieren sie höchstens mit einem trägen Öffnen ihrer Augen. An der Wand ein Schriftzug, der offenbar mehrfach von anderen ergänzt wurde:

„Bin ich verrückt?“, „Du bist heilig.“, „Du bist nichts.“

Graffiti

Dann Lärm von oben. Obwohl die Gefangenen weiter unbewegt bleiben, herrscht plötzlich Spannung im Raum. Wachleute der Inquisition öffnen eine der Falltüren im Gitter über dem Feuer. Sie werfen Holzfässer herab, die auf dem Boden um das Feuer zerbrechen. Am Geruch, der sich verbreitet, können die Spielercharaktere schließen, dass es sich um Pökelfleisch handeln muss. Doch die Gefangenen rühren sich noch immer nicht. Stattdessen betreten seltsame Soldaten in schwarzer Uniform das Gewölbe, laden das Pökelfleisch auf große Lederstücke und schleifen es davon.

Dann hören die Helden ein unmenschliches Kreischen und von oben ein lebendiges Schwein hinab geworfen. Mit einem Mal springen alle Gefangenen auf, und auf das Schwein zu – die Spielercharaktere müssen aufpassen nicht überrannt zu werden. Das Schwein flieht quer durch den Raum, panisch quiekend, die Gefangenen jagen es, mit bloßen Händen, und dabei unheimlich still. Als sie es schließlich gefangen haben, brechen sie sein Genick und reißen es dann buchstäblich in Stücke. Diejenigen, die nichts bekommen haben, beginnen zu betteln und bieten den Gewinnern verzweifelte Tauschgeschäfte an.

Ein untersetzter Gefangener, dessen Nase auch eher an die Schnauze eines Schweins erinnert, stellt sich den Spielercharaktere mit dem Namen GUARRO vor. Er hat gleich erkannt, dass die Helden neu hier sind und ist bereit sie herumzuführen – wenn sie ihm etwas anbieten können.

Die Grauerei

Eine Öffnung in der Mauer des Fegefoyers ist mit zahlreichen Lumpen verhangen, dahinter klingt dumpf der Lärm einer … Wirtschaft? Zumindest etwas in der Art: Tische und Stühle bestehen aus zusammengetragenen Steinhaufen, Gefangene spielen hier mit knöchernen Würfeln um ihren wenigen Besitz und trinken aus Lehmkrügen ein den Helden unbekanntes Getränk. Vor der Rückwand, dem Eingang gegenüber, gibt es eine sorgfältig aufgeschichtete Theke. An einer Seitenwand führt eine zerstörte Mauer in eine Art Nebenraum, in dem offenbar Schauspieler versuchen ein Stück auf die Bühne, naja, auf eine Erhebung zu bringen. Im Publikum nur zwei Gefangene, die aneinandergelehnt tief schlafen. Einige der Gefangenen im Schankraum haben ihre Lumpen so vernäht, dass sie an Frauenkleider erinnern, haben sich eine Art Dekolleté ausgestopft, ihre Bewegungen, während sie versuchen mit den Gästen der Wirtschaft ins Gespräch zu kommen, kann man mit viel gutem Willen als feminin bezeichnen.

Auch der Wirt, der Krüge putzend hinterm Tresen steht und die Spielercharaktere aufmerksam beobachtet, scheint sich eher als Wirtin zu verstehen und stellt sich auch als MARIA vor. Maria stellt den Spielercharakteren Krüge hin, gießt eine tiefbraune, nicht zu identifizierende Flüssigkeit ein, und fragt sie, wie viel Wasser sie dazukippen soll. Das Wasser im Krug: ebenfalls braun. Marias Rat an die Spielercharaktere: das meiste Wasser im Kerker nicht pur trinken, für einen Schuss Schnaps so lange bezahlen, bis die Tauschmöglichkeiten ausgehen. Der Schnaps töte die Krankheiten im Wasser. Die Krankheiten töten sie. Die andere Regel der Hausordnung: Niemand spricht über die Inquisition.

Die Schreckensweide

Eine weitläufige natürliche Höhle, so groß, dass ihre Ränder in der Ferne auch trotz eines seltsamen fahlen Lichts nicht auszumachen sind. Der Boden ist weich, mit farblosem Moos bewachsen, und mit kleinen, fluoreszierenden Pilzen, die ein unwirkliches Licht abgeben, das eher an einen Traum erinnert. In der Mitte der Höhle plätschert Wasser.

Dort begegnen die Spielercharaktere Gefangenen, die nackt, aber seltsam dich behaart um einen Felsen kauern, aus dem ein kleiner Bach entspringt. Wenn die Helden einem von ihnen zu nahe kommen, macht der ein Geräusch, das fast wie das Blöken eine Schafes klingt. Auf dem Felsen thront über den anderen Gefangenen ein nur mit einem Tuch bekleideter Mann mit krummem Stock. Um seinen Hals trägt er eine Panflöte, die etwas zu weiß ist, um aus Holz zu sein. Zu seinen Füßen kauert ein weiterer Gefangener, der die Helden, sollten sie näher kommen, leise anknurrt.

Der Mann stellt sich als DER XIRTE vor: sollten die Helden an Krankheiten, Verletzungen oder anderen Flüchen leiden – falls nicht, werde das hier im Kerker nicht lange dauern – sind sie bei ihm herzlich willkommen. Selbst der Fliegenprinz vertraut jüngst auf seine Heilkunst. Der kleine Preis für seine kundige Hilfe: dass sich seine Patienten seiner Herde anschließen. Na gut, bei kleineren Verletzungen und guten Angeboten verzichte er auch manchmal darauf. Er ist geduldig: Irgendwann besitzen die Gefangenen nichts mehr, dass sie ihm anbieten können.

Der Nichthof

In der Mitte eines riesigen natürlichen, senkrechten Schachts, der offenbar bis an die Oberfläche geht, brennt ein großes Feuer. Hier unten ist der Schacht umgeben von einem System kleiner Höhlen. Ein sehr viel stärkeres Feuer muss hier einst gewütet haben: die Oberfläche des Felses ist schwarzes, schroffes, scharfes Glas. Eine Art Weg führt ums Feuer herum und verbindet den Durchgang zum Fegefoyer mit einem Tunnel, an dessen Ende zwei Soldaten in schwarzer Rüstung vor einem schweren Tor Wache halten.

Ein einzelner Arbeiter schaufelt Wurzeln und Müll in die Flammen, der Rauch quillt dick und schwarz nach oben. Falls man durch den Schacht bis an die Oberfläche gucken könnte: der Rauch verhindert das. In einer hölzernen Schubkarre neben dem Arbeiter liegen zwei menschliche Leichen – gehäutet. Auf Ansprache durch die Helden blickt der Arbeiter sie mit blinden Augen an und wiederholt dann nur: „Sie sagen: Das Feuer muss brennen. Meine Augen! Das Feuer muss brennen. Schau nicht hinauf. Das Feuer muss brennen.“ Allerdings kann er auf die Frage, wer „Sie“ denn seien, auf einen der Durchgänge in das Höhlensystem um den Lichthof zeigen.

Der Totengerber und der Leichenlederer

Hier, im System der kleinen Höhlen begegnen die Helden einem weiteren Arbeiter. Er sitzt gebeugt über einem riesigen Berg Pökelfleisch, leckt an einem Stück Fleisch, legt es dann zur Seite, streift das Salz von seiner blutig wunden Zunge in ein Gefäß, und nimmt dann das nächste Stück Fleisch zur Hand und in den Mund. Auch wenn er von den Spielercharakteren angesprochen wird, weigert er sich, seine Tätigkeit zu unterbrechen und kann sich nur durch Zeigen verständigen. Der Weg führt die Spielercharaktere weiter an Gruben vorbei, die nach Pisse und vielem anderen stinken. Etwas, das Lederlappen sein müssen – aber Lederlappen wovon? –, schwimmt in einer ekelerregenden schwarzen Flüssigkeit.

Der Weg endet in einer Art Werkstatt. In den Ecken stapeln sich die schwarzen Lederrüstungen, die die Spielercharaktere vermutlich schon an den Wachen hier unten gesehen haben. An den Wänden hängen ebenso schwarze Peitschen. Ein Ungetüm wendet sich den Helden zu: zwei Männer groß wie Bären, die miteinander verwachsen zu sein scheinen: Der Arm des einen mit dem Arm des anderen, die Seite des einen mit der Seite des anderen, das Bein des einen mit dem Bein des anderen. Namen haben sie zwei. Sie stellen sich vor als der TOTENGERBER und der LEICHENLEDERER.

Der Schwärzeschmied

Der Weg zum Schwärzeschmied verläuft ähnlich, wie der zur Werkstatt vom Totengerber und Leichenlederer. Er führt die Spielercharaktere vom Nichthof vorbei an einer Grube mit abgetrennten Händen und Füßen. Dahinter ein Haufen metallener Ketten, die wohl einst dazu dienten die betreffenden Hände und Füße gefesselt zu halten.

Dann der Widerschein eines Feuers und ein dunkler Raum, in dessen Mitte auf einem Schemel ein uralter Mann sitzt, der nur noch Haut, Knochen und Muskeln ist. DER SCHWÄRZESCHMIED. Um den Hals trägt er einen metallenen Ring, eine Kette führt von ihm bis zu einem Ring in der Wand. Seinen meterlangen Bart hat der Alte um die Kette gewickelt, offenbar um ihn vom Feuer fernzuhalten. Vor ihm ein Amboss, in einem Wasserbecken neben ihm Schwerter in verschiedenen Stadien der Verrostung. Konzentriert schlägt der alte Mann auf ein nagelneues Schwert ein, das er dann – zum Rosten? – ins Wasser legt. Er beachtet die Spielercharaktere nicht, selbst wenn sie ihn ansprechen, fährt einfach in seiner Arbeit fort.

Strategien gegen den Prinzen

Vielleicht gelingt es den Spielercharakteren sich über Gespräche und Bestechungen mit Essen, Metallen oder anderem Besitz selbst in den Verhältnissen hier im Kerker der Inquisition zu orientieren. Vielleicht kann sie Guarro, der hilfsbereite Gefangene aus dem Fegefoyer, dabei unterstützen. Es ergeben sich verschiedene Wege, wie die Spielercharaktere versuchen könnten, an den Fliegenprinzen heranzukommen.

Aufrüsten

Hinter dem bewachten Tor beim Nichthof liegt der Palast des Fliegenprinzen, er wird von seinen Soldaten in Schwarz bewacht, die vom Schwärzeschmied, von Totengerber und Leichenlederer mit Peitschen, Lederrüstungen und verrosteten Schwertern ausgestattet werden. Die Spielercharaktere könnten überlegen, sich selbst dort auszurüsten, allerdings helfen Totengerber und Leichenlederer erst, wenn sie davon überzeugt sind, dass die Spielercharaktere den Fliegenprinzen tatsächlich werden besiegen können, weil sie sonst dessen Rache fürchten. Der Schwärzeschmied hingegen ist selbst verflucht: mit dem ersten Blei, das er geschmolzen hat, hat der Fliegenprinz eine Kette auch um sein Herzen gemalt, und erlaubt ihm nicht zu sterben. Er hilft den Spielercharakteren nur, wenn sie glaubhaft versprechen, ihn von diesem Fluch zu erlösen und sterben zu lassen, sobald sie den Fliegenprinz besiegt und die Macht über den Fluch des Schwärzeschmiedes auf sie übergegangen ist.

Fluch, Gift und Heilung

Tatsächlich scheint Blei eine wichtige Zutat der Flüche des Fliegenprinzen zu sein. Können die Spielercharaktere den Schwärzeschmied wirklich zum Reden bringen (nicht-fleischliche Nahrung, wie etwa die Kartoffeln und Wurzeln aus denen der Schnaps der Grauerei hergestellt wird, wirkt bei ihm Wunder; dank des Fluches muss er zum Überleben nicht mehr essen und ist deshalb Vegetarier geworden; die anderen Gefangenen haben aber herausbekommen, dass er kein Essen braucht und versorgen darum lieber sich selbst), berichtet er von einer bleiernen Glocke, die er für den Fliegenprinzen angefertigt hat. Sein größtes Projekt aus Blei bisher. Der Wert des Bleis hier unten (neu eingetroffene Gefangene pulen es aus ihren Schusswunden oder andere Gefangene tun das für sie) hat sich seitdem vervielfacht, und der Schwärzeschmied leidet unter Kopfschmerzen, Müdigkeit und Darmkrämpfen.

Der Schwärzeschmied ist nicht der einzige:

Auch der Fliegenprinz selbst scheint seit dem Einsatz der Glocke zu leiden. Seine Haut ist grau, seine Lippen schwarz, im Verlies geht das Gerücht um, er würde selbst zur Fliege. Doch der Xirte, falls er bereit ist, mit den Spielercharakteren zu sprechen (zum Beispiel, wenn sie neue Gefangene seiner Herde zuführen, aber vielleicht haben sie ja auch ein anderes Angebot, das interessant ist), ist jetzt auch Leibarzt des Prinzen und kennt weitere Symptome: dunkelbrauner Urin, Appetitlosigkeit, kurze Phasen der Desorientierung, jede Bewegung fällt dem Prinzen schwer – der Fliegenprinz ist, vermutlich zum ersten Mal im Leben, angreifbar. Mit der Verzauberung der bleiernen Glocke hat er offenbar nicht nur die Gäste des Balls, sondern auch sich selbst verflucht. Nur, darauf hoffen, dass der Fliegenprinz von selbst zu Grunde geht, können die Spielercharaktere nicht, dafür schreitet ihr eigener Fluch, die eigene innere Verwilderung zu schnell fort.

Bleivergiftung

Die Leiden, die der Fliegenprinz und, schwächer, der Schwärzeschmied zeigen, sind Symptome einer Bleivergiftung. Blei wird schon seit der Antike in Form sogenannter Fluchtafeln für böse Zauber eingesetzt. Eine Blutvergiftung zeigt sich an äußeren Merkmalen: wegen verengter Blutgefäße und Blutarmut wirkt die Haut blass, dazu verfärbt sie sich grau-gelb. Urin verfärbt sich dunkelbraun. Der Vergiftete kann unter Herzrhythmusstörungen leiden, außerdem unter psychischen Symptomen wie einer verminderten Intelligenz, Desorientierung, Apathie, Schlaflosigkeit, Hyperaktivität und Aggressivität. Dazu kommen Lähmungen, die Hand kann nicht mehr über den Unterarm gehoben werden, und Krämpfe, besonders Darmkrämpfe bis zum Darmverschluss. Das Erbrochene kann weiß verfärbt sein. Gegen die Vergiftung wird Penicillamin eingesetzt: Vielleicht lässt der Xirte die Spielercharaktere Schimmelpilze im Verlies und an seinen Bewohnern einsammeln um den Fliegenprinzen zu kurieren.

Der Xirte könnte die Spielercharaktere durchaus gegen den Fliegenprinzen unterstützen, auch aus eigenem Interesse: Ist die Herrschaft des Prinzen über das Verlies gebrochen, steht seiner eigenen niemand mehr im Weg und er könnte ungehindert alle Gefangenen zu Schafen seiner Herde machen. Er könnte bei seinem nächsten Besuch beim Prinzen die Spielercharaktere als seine Assistenten in den Palast einschleusen. Allerdings verlangt er dafür von ihnen, dass sie ihm Schwärzeschmied, Totengerber und Leichenlederer als Schafe für seine Herde zuführen. Dafür braucht es zwar ihr ausgesprochenes Einverständnis, das darf aber erzwungen sein.

Die Kompanie

Genau das, die Herrschaft des Xirten, versucht Maria zu verhindern. Auch sie wäre bereit, den Spielercharakteren beim Kampf gegen den Fliegenprinzen zu unterstützen, allerdings nur, wenn sie vorher den Xirten ausschalten, damit der im entstehenden Machtvakuum nicht das ganze Gefängnis versklavt. Die Hilfe, die sie anbieten kann: Neben Fleisch und Schnaps bietet der Fliegenprinz seinen Soldaten auch Unterhaltung an, nämlich durch die Schauspielgruppe, die auch in der Grauerei probt und auftritt. Die Spielercharaktere könnten dort vorsprechen und Rollen übernehmen und so mit der Kompanie in den Palast gelangen. Die suchen gerade, weil einige der Schauspieler zu arm geworden waren, um noch Schnaps zu erwerben, Wasser pur getrunken hatten, und sich jetzt mit schrecklichen Schmerzen irgendwo im Fegefoyer auf dem Boden wälzen.

Ergänzende Möglichkeiten

Andere mögliche Strategien sind zum Beispiel das Vergiften des Alkohols, den die Grauerei regelmäßig in den Palast des Prinzen liefert. Zwar trinkt der Prinz offenbar selbst nicht mehr seit Beginn seiner Krankheit, viele seiner Soldaten ließen sich dadurch aber unschädlich machen. Außerdem ließen sich Soldaten und auch der Prinz selbst (sowie alle anderen Gefangenen, die schon länger hier unten eingesperrt sind) blenden, wenn es den Spielercharakteren gelänge ihre Zielpersonen in den Nichthof zu locken und das große Feuer dort zu löschen, sodass der Rauch sich verzieht und zur Mittagszeit zum ersten Mal seit Jahrzehnten (oder sind es Jahrhunderte?) wieder Sonnenlicht den Nichthof erreicht.

Vielleicht zeigt sich auch, dass der Fliegenprinz gar nicht von den Spielercharaktere getötet werden muss: Die Einlassungen des Schwärzeschmieds lassen ja vermuten, dass bei einem gewaltsamen Tod des Fliegenprinzen die Herrschaft über die verhängten Flüche auf den Mörder übergehen. Die Spielercharaktere könnten überlegen, jemand anderen zu der Tat überreden um dann von ihm den Fluch von sich nehmen zu lassen. (Falls die Spielleiterin möchte, scheitern die Spieler mit dieser Strategie: der Mörder des Fliegenprinzen entscheidet sich um, wenn er die Macht hat, oder weiß einfach nicht, wie das Lösen eines Fluches funktioniert, offenbar braucht es mehr als den bloßen Willen dazu. Die Spielercharaktere werden dann ihn töten müssen.)

Im Palast des Fliegenprinzen

Bei dem Palast des Prinzen handelt es sich um eine uralte Totenstadt. In ein natürliches Höhlensystem sind mit Knochen, Megalithen und Gewölben aus Naturstein städtische Strukturen hineingebaut worden. Die Spielercharaktere erkennen eine Art Marktplatz. Sind sie mit der Theaterkompanie hier, werden sie von den schwarzen Soldaten des Prinzen in ein Amphitheater gebracht mit Stufen aus Oberschenkelknochen. Sind sie mit dem Xirten hier, werden Sie ins Badehaus gebracht. Bevor jemand zum Fliegenprinzen gelassen wird, wird er natürlich auf Waffen untersucht. Haben sich die Spielercharaktere den Weg freigekämpft, werden sie den Thronsaal finden müssen.

Weitere Gebäude, die die Spielercharaktere sonst nur von der Oberfläche (und ohne einbetonierte Totenschädel) kennen: Eine Kapelle; ein Aquädukt, das Wasser zum Badehaus transportiert; eine Art Stall aus Pferdeknochen; ein Zeughaus für dessen Arsenal offenbar einst Knochen zu Waffen geschnitzt worden waren, heute weitgehend unbrauchbar (aber vielleicht haben die Spielercharaktere ja Glück); und schließlich zahllose „Wohnhäuser“, in denen zum Teil Menschen auf den Betten bestattet sind, die aber zum Teil auch von den Soldaten des Prinzen genutzt werden.

Der Fliegenprinz

Der Fliegenprinz ist kaum noch von den Leichen hier zu unterscheiden: das Gesicht eingefallen, viele Muskeln verschwunden, die Haut grau, die Lippen schwarz. Er trägt eine lange schwarze Kutte, die sich seltsam zu bewegen scheint. Erst wenn die Spielercharaktere in seine Nähe kommen, erkennen sie, dass es Fliegen sind, die seinen ansonsten nackten Körper dicht bedeckten, Fliegen und Maden. Legt er sie ab, das heißt, befiehlt er ihnen, sich im Raum zu verteilen, etwa wenn er zu Untersuchung und Behandlung durch den Xirten in das Becken des Badehauses steigt, können die Spielercharaktere die gewaltige Wunde in seinem Schoß sehen, die die Inquisition dort buchstäblich gerissen hat, in der die Fliegen nisten.

Der Fliegenprinz verhält sich irrational, stellt übertriebene Forderungen an seine Soldaten, den Xirten oder die Schauspielkompanie, und vergisst sie schnell wieder. Die Soldaten schauen sich manchmal verwirrt an, wenn er das tut, führen seine Befehle aber dennoch aus. Sollten die Spielercharaktere gute Argumente haben und überzeugend auftreten, können sie vielleicht die Loyalität der Soldaten erschüttern (allerdings wird das erschwert durch ihre Furcht vor dem Xirten, wenn der Fliegenprinz sie nicht mehr beschützt).

Vielleicht zeigt sich, dass es gar keines Mordes bedarf. Der Fliegenprinz mag nicht für rationale Argumente zugänglich sein, aber sein Hass auf die Inquisition, der er gezwungen ist zu helfen, ist stärker als jede Vergiftung. Vielleicht ist er bereit ein Ritual zu versuchen, um den Fluch von den Spielercharakteren zu nehmen, oder gar, falls er für ein solches Ritual schon zu schwach ist, den Freitod zu wählen um die Spielercharaktere zu erlösen – falls die Spielercharaktere ihm ein Angebot machen können, für dass sich in seinem trüben, aber von Hass verzehrten Geist eine solche Anstrengung oder ein solches Opfer lohnt. Im Moment seines Todes scheinen Abermillionen Fliegen im ganzen Verlies aufzusteigen und zum Lichthof zu streben – wo die meisten im Rauch sterben, es aber manche vielleicht zurück an die Oberfläche schaffen, zurück an den Tag.

Gelingt es den Spielercharakteren den Fliegenprinzen zu ermorden oder ermorden zu lassen, oder wird der Fluch freiwillig von ihnen genommen, spüren sie, wie ihr Wesen zur Ruhe kommt, wie die Wildheit und das Tierische ihre Seelen verlässt. Doch: Jetzt sind sie bloß noch ganz normale Menschen. An einem wirklich schrecklichen Ort.

Anhang

Flucheffekte

  • Die Liebenden (VI): Der Spielercharakter spürt, wie mit der Menschlichkeit auch die Hoffnung aus ihm weicht. Der Charakter erhält keine positiven Nebeneffekte mehr bis zum Ende des Spielabends.
  • Der Wagen (VII): Die Bestie im Innern vermittelt dem Spielercharakter eine nie gekannte Stärke, doch die ist bloße Illusion. Der Spielercharakter erhält bei der nächsten Probe einen Malus von 2.
  • Die Kraft (VIII): Die Menschlichkeit des Spielercharakters geht verloren, die Bestie gewinnt an Macht. Der Wesenszug Seele des Spielercharakters verringert sich permanent um 1.
  • Die Gerechtigkeit (XI): Mit dem Fluch und der stetigen Verwandlung fällt dem Spielercharakter jeder Schritt zunehmend schwerer. Der Spielercharakter übergeht die erste gezogene kleine Arkanakarte bei jeder Probe bis zum Ende des Spielabends.
  • Der Tod (XIII): Dem Spielercharakter fällt es zunehmend schwer, den eigenen sich verändernden, ja sich ihm entfremdenden Körper, zu verstehen. Sein Wesenszug Körper verringert sich permanent um 1.
  • Die Mäßigkeit (XIV): Der animalische Instinkt siegt über die Vernunft. Der Wesenszug Verstand des Spielercharakters verringert sich um 1.
  • Der Teufel (XV): Für einen Moment übernimmt die Bestie im tiefen Inneren des Spielercharakters die Kontrolle. Der Spielleiter darf 1 Minute in der Spielwelt oder 1 Runde im Kampf frei über das Verhalten des Spielercharakters bestimmen, solange es nicht den sicheren Tod eines Spielercharakters zur Folge hätte.
  • Der Turm (XVI): Der Spielercharakter verliert einen Großteil der Erinnerung an sein vergangenes Selbst. Der Spielercharakter verliert sämtliche Schwerpunkte bis zum Ende des Spielabends.

Gegner

Die Wachen der Inquisition

WesenszügeSchwerpunkteAngriffe
Körper 4
Verstand 3
Seele 2
Stangenwaffen
Verprügeln
sadistisch
Hellebarde
Bajonett
Schlagstock

Totengerber und Leichenlederer

WesenszügeSchwerpunkteAngriffe
Körper 5
Verstand 2
Seele 2
Gerben
Häuten
Schlagen
Hammer
Messer
Säure

Der Xirte

WesenszügeSchwerpunkteAngriffe
Körper 3
Verstand 4
Seele 5
Überzeugen
Heilen
Kampfstab
Krummstab
Flöte (verursacht Schaden in Seele)

Der Hund des Xirten

WesenszügeSchwerpunkteAngriffe
Körper 4
Verstand 2
Seele 1
Beschützen
Aufspüren
Bellen
spitz gefeilte Zähne
spitz gefeilte Fingernägel

Die Soldaten des Fliegenprinzen

WesenszügeSchwerpunkteAngriffe
Körper 4
Verstand 2
Seele 2
Stangenwaffen
Saufen
Peitschen
rostige Schwerter

Der Fliegenprinz

WesenszügeSchwerpunkteAngriffe
Körper 2
Verstand 2
Seele 5
Fliegen befehligen
Ratten befehligen
Schwarze Magie
Überzeugen
Fliegen (nehmen Sicht)
Ratten

Ausrüstung

GegenstandPreis
Arsen3
Brille4
Diebeswerkzeug3
Draht2
Esel4
Handspiegel3
Kerze1
Karte4
Kompass5
Kreide1
Laudanum (entfernt Stress in Seele)3
Bibel2
Medizin3
Öllampe2
Öl (für 8 Stunden Licht)1
Schere1
Seil1
Taschenuhr4
Tunkhölzer, Asbestschwamm, Schwefelsäure2
Zeitung1
Zirkel3
Gegenstände im Madrid des frühen 19. Jahrhunderts
NahkampfwaffePreis
Bajonett3
Beil2
Geißel2
Hakenhand4
Hellebarde3
Jagdspieß3
Kavalleriesäbel4
Messer1
Richtschwert5
Stilett2
Nahkampfwaffen im Madrid des frühen 19. Jahrhunderts
FernkampfwaffeIdealrw.Max. Rw.Preis
Donnerbüchse30604
Muskete501004
Steinschlosspistole20403
Fernkampfwaffen im Madrid des frühen 19. Jahrhunderts
RüstungPreis
Kürass (schwer)4
Rüstungen im Madrid des frühen 19. Jahrhunderts

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